Barrieren im Alltag

Wer ein neues Auto kaufen will, der geht zum Händler und lässt sich beraten. Klingt einfach, ist es aber nicht, wenn man hörbehindert ist. Man benötigt die Hilfe eines Gebärdensprach-Dolmetschers (GSD). Der muss vier bis sechs Wochen vor dem Termin mit dem Autohändler informiert werden. Denn es gibt nicht viele, die Gebärdensprache übersetzen können. 75 Euro in der Stunde verlangt ein solcher Dolmetscher zzgl. Fahrtkosten und Umsatzsteuer. Da wird der Autokauf schon schwieriger. Oder schauen wir uns die Situation bei einem Krankenhausaufenthalt an. Zur morgendlichen Visite benötigt der Gehörlose eigentlich einen Dolmetscher. Andernfalls hat er kaum eine Möglichkeit die Diagnose oder medizinische Fachbegriffe zu verstehen.

„Blindheit trennt von den Dingen, Taubheit von den Menschen.“    Helen Keller

„Gehörlosigkeit heißt einfach nur, dass man nichts hören kann und mit den Händen redet – sonst ist alles genauso wie bei anderen Leuten.” Das ist das, was viele hörende Menschen glauben. Falsch gedacht, der  wirkliche Alltag für  taube und hörbehinderte Menschen in unserer Gesellschaft bedeutet: ein täglicher Kampf mit den kommunikativen und sprach-kulturellen Barrieren!

Die Brennpunkte des Lebens und der sozialen Teilhabe erleben wir in der Schule, am Arbeitsplatz, im öffentlichen Verkehr, bei kirchlichen und öffentlichen Veranstaltungen, in Beratungsgesprächen bei Banken, Versicherungen, Notaren, bei Besuchen in Museen, Kinos, im direkten sozialen Umfeld, Verwaltungen, etc. Wo immer gesprochene Lautsprache eingesetzt wird, werden gehörlose und hörbehinderte Menschen pro forma benachteiligt – also in praktisch sämtlichen Lebensbereichen.

Einen Bericht über den Täglicher Kampf und Konfrontationen aus der Sicht hörbehinderter Menschen findet man unter dem folgenden Download-Links: pdf DOWNLOAD

Zunächst muss in  2 grundsätzliche Bereiche von Barrieren für hörbehinderte Menschen unterschieden werden.

  • sprach-kulturelle Kommunikationsbehinderung bei der sozialen Teilhabe in der Gesellschaft

Wo immer gesprochene Lautsprache eingesetzt wird, werden gehörlose und hörbehinderte Menschen pro forma benachteiligt. Hörbehinderung ist in erster Linie eine Kommunikationsbehinderung. Gehörlose und stark hörgeschädigte Menschen kommunizieren in der Deutsche Gebärdensprache. Für die meisten ist sie die Erstsprache und wird von ihnen als ihre Muttersprache bezeichnet. Sie unterscheidet sich als eigenständige Sprache deutlich von der deutschen Laut- und Schriftsprache. Um die Barrieren in der Kommunikation von Menschen mit Hörbehinderung zu überwinden, ist der Einsatz von staatlich anerkannten bzw. Dipl./B.A.-Gebärdensprach-DolmetscherInnen (GSD) erforderlich. Die Gebärdensprach-DolmetscherInnen bilden die „Brücke“ zwischen beiden sprachlichen Welten. Das trägt zur sozialen Teilhabe in der Gesellschaft in erheblichem Maße bei!

  • behindertenbedingte Mehraufwandskosten im Alltag

Im täglichen Leben erkennen Nomalhörende durch akustische Signale Veränderungen in ihrer Umgebung. Sie können durch Sprechen Probleme artikulieren und sich gegenseitig informieren. Hörgeschädigte hören im Vorbeigehen gesagte Informationen nicht, nehmen ungewöhnliche Geräusche in ihrer Umgebung nicht wahr.  Wo immer auditive Barrieren in der Umgebung eines Hörbehinderten auftreten, führt dies zu organisatorischen (z.B. Gleiswechsel am Bahnhof), finanziellen (Schäden an Maschinen) und zeitlichen (Verspätung bei fehlenden Informationen) Nachteilen der Menschen mit Hörbehinderung.

Des Weiteren  entstehen auch außergewöhnliche Kosten für zusätzliche Anschaffungen verschiedenster notwendiger Hilfsmittel. Als Mehraufwandskosten sind die teuren Grundgebühren eines Internetanschlusses mit höheren Datenübertragungsraten zur Nutzung von Telefondolmetschdiensten und einwandfreier Face-to-Face-Kommunikation über Webcam zu nennen.

Weitere Mehraufwandskosten ergeben sich  durch Neu- bzw. Wiederbeschaffungen unterschiedlichster Dinge, die aufgrund der Hörbehinderung zu Schaden gekommen sind. Beispielhaft zu nennen sind hier die kaputte Waschmaschine oder Verschleißteile im Auto, die zerstört wurden, weil die ungewöhnlichen Geräusche, die einen Normalhörenden veranlasst hätten, einen Monteur kommen zu lassen oder das Auto zur Überprüfung in die Werkstatt zu bringen, nicht gehört wurden.

Bei vielen der Betroffenen bestehen außerdem durch die Hörbehinderung bedingte Lücken in der Allgemeinbildung. Die Angleichung an das Niveau Normalhörender erfolgt häufig durch die Teilnahme an kostenpflichtigen Bildungsangeboten, wie an der VHS, oder durch die Beschaffung von speziellen Zeitungen und Informationen in einfacher Sprache bzw. den Kauf von Gebärdenfilmen. Mangelnde Allgemeinbildung und gehinderter Zugang zu öffentlichen, kostenlosen Informationsveranstaltungen führen darüber hinaus zu geringeren Verdienstmöglichkeiten im Beruf und zu geringerem Renteneinkommen.

Hier sind weitere Informationen  über Benachteiligungen aus der Sicht der Menschen mit Hörbehinderung nach zu lesen: